Masterclass „Decentralized Organisations – Patterns for Decentralised Organising“

Am vergangenen Freitag war ich Teilnehmerin der Masterclass zu „Decentralized Organisations“ von TheHum im „Bogen“ (vermietet durch Open State).

Einstiegsübung: Positive & negative Aspekte von Kollaboration bzw. Hierarchie

Zu Beginn der Masterclass gab es eine Einstiegsübung, die die Organisator*innen wohl auch in ihren Workshops immer anleiten:

Die Teilnehmenden werden (ggf. in Kleingruppen / allein reflektierend) gebeten, sich Gedanken entlang dieser Matrix zu machen:

Hierarchie-Kollaboration
Natalia Lombardo & Richard D. Bartlett, TheHum

Danach gibt es eine Diskussion:  Was wollen wir? Was ist sinnvoll für uns? Was brauchen wir? Wenn wir Kollaboration möchten, welche der negativen Aspekte können wir reduzieren, umgehen oder gar eliminieren? Worauf müssen wir achten?

Entscheidungen in dezentralen Organisationen

Es wurde empfohlen die unterschiedlichen Ebenen der Zugehörigkeit zu einer Organisation deutlich zu machen, ein Beispiel von den Teilnehmenden: „Dating“, „etwas Lockeres“, „in einer Beziehung“. Innerhalb der Organisation sind diese drei Ebenen selbstverständlich definiert. Die Rechten und Pflichten, die Art des Beitrages und der Partizipation sollten geklärt sein. Die Wege in und aus der Organisation sollten ebenfalls für jede Ebene klar sein.

Klarheit & Transparenz – in expliziter Weise sind also die Schlüssel zum Erfolg.

Über das Wie vom Treffen einer Entscheidungen

Zum Treffen von Entscheidungen wurde die Unterscheidung von:

  • Mandat: ich entscheide, danach beantworte ich Fragen
  • Rat einholen: Ich hole zunächst Rat ein und entscheide dann
  • Consent: Wenn es keinen Widerstand gibt, ist die Entscheidung getroffen
  • Konsens: Wenn jede*r zustimmt, ist die Entscheidung getroffen

an die Hand gegeben. Für mich an dieser Stelle eine Anlehnung an Delegation Poker mit der Erweiterung um Konsens und Konsent Entscheidungsverfahren. Beide Verfahren sind übrigens im Buch „Das kollegial geführte Unternehmen“ sehr übersichtlich erläutert.

Außerdem gab es noch eine Übung:Kurze Szenariobeschreibung mit einer Auswahl an Entscheidungsmöglichkeiten. Dann sollte jede*r für sich überlegen, welche der Entscheidungsmöglichkeiten „Präferiere ich“, „Toleriere ich“ oder „Lehne ich ab!“. Beispiel: „Ich hätte gern einen Apfel. Ich würde auch andere Früchte essen. Junk Food lehne ich ab!“ Erkenntnis: Wenn wir nur auf unsere Präferenzen beharren, kann es in der Gruppe schnell schwierig werden – der Blick auf die Toleranzen bringt Entscheidungsmöglichkeiten schneller ins Spiel. Alles dann noch durch sich überlappende Kreise visualisiert (siehe Bild). So ging es mit der Entscheidung noch schneller. Es erinnerte mich ein wenig an die Unterscheidung von Positionen, Interessen und Bedürfnisse aus dem Verhandlungsmanagement /bewusste Kommunikation (Eisbergmodell)- bei wem klingelt da noch etwas?

entscheidungen-treffen-agil.jpeg

Grundvoraussetzungen für erfolgreiche kollaborative Entscheidungen

Grundvoraussetzung für das Treffen kollaborativer Entscheidungen (vor allem auch nach dem Konsent-Verfahren) sind: Psychologische Sicherheit, eine gemeinsame Orientierung / Richtung, Transparenz.

Digitales Tool für das Treffen von Entscheidungen

Zuletzt wurde uns die App loomio wärmstens ans Herz gelegt – diese vereinfacht anscheinend das digitale Treffen von Entscheidungen. ABER: Führt kein neues Tool ein, wenn es keinen strukturierten Prozess dazu gibt! Nutzt unterschiedliche Tools für unterschiedliche Nutzen, beispielsweise docs für gemeinsame Dokumente, Chats (z.B. slack) für eine schnelle Kommunikation, asynchrone Kommunikation bei eher „statischen Themen“.

Selbstmanagement in kollaborativen Organisationen

Zunächst heißt es: Das hierarchische Denken an der Tür abgeben, emotionale Intelligenz fördern (Empathie, Selbstreflextion, etc.), zusammen lernen. Für kollaborative Organisationen (für meinen Geschmack auch gern für Teams im allgemeinen) ist Vertrauen und Sicherheit die Basis.

Feedback geben & nehmen – sich selbst kennen

Dann gab es ein paar Inputs zum Thema: Gewaltfreie Kommunikation (auch manchmal als 3W-Methode gekennzeichnet)

  1. Wahrnehmung schildern (was ist passiert / war sichtbar – keine Interpretation oder Urteile!)
  2. Wirkung beschreiben
  3. Wunsch äußern

Dabei immer in der Ich-Perspektive bleiben! Hier gab es auch den sehr nützlichen Hinweis, immer zu fragen „Darf ich dir Feedback geben zu Thema XYZ“ (die Frage „Darf ich dir Feedback geben“ allein ist oft nicht spezifisch genug – wenn der/die Gegenüber dann mit großen Augen panisch sagt „Ja, ok…“ ist etwas nicht ganz stimmig)!

Feedback geben und nehmen hat daher viel mit uns selbst zu tun: Kennen wir unsere eigenen Bedürfnisse, unseren Wunsch, die Wirkung? Wissen wir, ob wir gerade Feedback annehmen können?

Gemeinsamer Rhythmus von dezentralen Organisationen

Der Ruf nach flexiblen Räumlichkeiten wird nicht umsonst immer lauter. Verschiedene Arten von Unterhaltungen brauchen verschiedene Räumlichkeiten und Umgebungen – auch bei dezentralen Organisationen.

Um agil und flexibel zu bleiben, wird empfohlen ein Daily Stand Up (bekannt aus Scrum) durchzuführen – ein tägliches (jeden Tag gleiche Zeit, gleicher Ort), max. 15-minütiges Treffen, in welchem jede Person drei Fragen beantwortet:

  • Was habe ich seit dem letzten Stand Up Daily getan / gestern getan?
  • Was plane ich, bis zum nächsten Stand Up Daily / morgen zu tun?
  • Was hat mich bei der Arbeit behindert?

Zur Wertschätzung werden wöchentliche Iterationen vorgestellt- hier darf jede*r sein*ihr Wochenergebnis präsentieren und die Wertschätzung einfahren, die es braucht, um motiviert im Prozess zu bleiben.

Quartalweise Ziele können helfen, eine hohe Autonomie der Betroffenen und den Fokus zu bewahren – wenn jede*r das Ziel kennt, dient dies als Orientierung bei Entscheidungs- und Priorisierungsfragen.

Auch dezentrale Organisationen brauchen persönlichen Kontakt, um Vertrauen aufzubauen und sich besser kennen zu lernen. Hier werden mehrtägige Retreats empfohlen.

Weitere Hinweise – Konflikte, Macht und Weiterentwicklung

Konflikte deeskalieren

Bei Konflikten heißt es deeskalieren: Erst durch ein persönliches Gespräch, dann ein Gespräch mit einer dritten nicht betroffenen Person, mit Hilfe aus der Gruppe, mit Mediator und wenn nichts mehr hilft mit einer Review des Systems. Hier wurde auf den von Laloux im Buch Reinventing Organisations beschriebenen Prozess der Konfliktbearbeitung hingewiesen – reinlesen/hören empfohlen!

Macht in dezentralen Organisationen

Es kann immer – auch in dezentral geführten Organisationen – zu Machtungleichgewichten und impliziten Hierarchien kommen. Zwang und Pflicht sollte aber nie entstehen. Es gilt: Hilf Personen, Verantwortung und Führungsrollen zu übernehmen. Es wurde auch betont, dass Gerechtigkeit nicht Gleichheit/Gleichbehandlung meint.

Zum Thema Macht gab es schließlich noch eine Übung: Alle stellte sich im Kreis auf. Dann gab es Fragen von den Trainer*innen, diese sagten auch an, ob man einen Schritt vor oder zurücktreten sollte. Es ging also los mit Fragen wie „Hast du gegründet? -Tritt einen Schritt vor.“ „Werden deine Ideen im Team angenommen? – Tritt einen Schritt vor.“ „Hast du das Gefühl, dich kritisch in deinem Unternehmen äußern zu können? – Beantwortest du diese Frage mit nein, tritt einen Schritt zurück.“ Am Ende sollten sich alle umschauen und versuchen, sich in die jeweils andere (weit entfernteren) Personen hineinzuversetzen. Wie fühlt es sich an? Hier gab es eine kurze Diskussionsrunde im Anschluss. Erkenntnis: Es gab teilweise Widerstände, weiter in die Kreismitte zu gehen. Irgendwann ist kein Platz mehr in der Mitte, selbst wenn Personen noch einen Schritt nach vorn gehen wollen…

Ein weiterer Tipp des Trainer*innenteams: Spielt doch mal mit euren Chefs! Bildet einen Stuhlkreis im Team, setzt die Chefs außerhalb dieses Kreises (gern mit ein paar Metern Abstand, Gesicht zur Wand) und tut im Team so „als hätten Aliens eure Chefs entführt“. Welche Aufgaben müssen übernommen werden (ggf. können die Chefs hier helfen)? Wer übernimmt diese? Wie werden diese ausgeführt? Danach diskutiert gemeinsam mit den Chefs über Verantwortung und Macht.

Lebenslanges Lernen

Natürlich gilt auch für dezentrale Organisationen: Lernen – und zwar kontinuierlich. Es bedarf dafür einer regelmäßigen Relfexion und Zeit. Auch im Team bzw. in der Organisation sollten gemeinschaftliche Lernprozesse durch das Ausprobieren von Neuem gefördert werden.

Zum Abschluss des Tages gab es noch eine kollegiale Fallberatung zu Themen der Teilnehmenden.

Ich hoffe, diese Zusammenfassung macht euch Lust auf mehr! Kommentare und Feedback sind immer und gern gelesen.

p.s.: Zur Inspiration noch folgende Lesehinweise:

1 Kommentar zu „Masterclass „Decentralized Organisations – Patterns for Decentralised Organising““

  1. Pingback: Deep Democracy Einführungstraining bei TheDive – Beispielwiesen

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