Zum Start in die Woche möchte ich euch den Deutschlandfunk-Kultur-Podcast „Im Gespräch: Für gesellschaftliche Vielfalt und Teilhabe – Mehr Quoten wagen?“ empfehlen (moderiert durch Katrin Heise, mit Zuhörer*innen-Fragen/Beiträgen). Es geht dabei um Quoten im Allgemeinen (z.B.: Frauen, Arbeiter*innen-Kinder; Menschen mit Beeinträchtigung; Migrationshinter-/ vordergrund, etc.). Aber hört selbst rein!
https://www.deutschlandfunkkultur.de/fuer-gesellschaftliche-vielfalt-und-teilhabe-mehr-quoten.970.de.html?dram:article_id=480750
Warum braucht es Diversität?
Und warum? „Nach wie vor werden zwei von drei Unternehmen ausschließlich von Männern im Vorstand geführt. Gerade einmal 31 Prozent der Bundestagsabgeordneten sind weiblich.
Obwohl ein Viertel der Bundesbürger einen Migrationshintergrund haben, haben nur acht Prozent der Abgeordneten ausländische Wurzeln. Fast zehn Prozent der Deutschen haben eine Behinderung, im Bundestag sind es jedoch nur gut drei Prozent. Dabei sollen die Abgeordneten „Volksvertreter“ sein. Wie kann also das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe für möglichst viele Gruppen erreicht werden?“ (Quelle: Deutschlandfunk Kultur, s. Link unten)
Gesprächspartner*innen im Podcast – Quoten als Reaktion, aber kein Allheilmittel
Im Gespräch diskutieren Stefanie Lohaus, Herausgeberin der feministischen Zeitschrift „Missy Magazin“. Sie meint „Wir haben seit über 100 Jahren das Frauenwahlrecht, aber noch nie waren Frauen in einem deutschen Parlament paritätisch vertreten. (…) Es gebe immer noch zu viele Hürden, ob in der Politik oder in der Wirtschaft: Feste männlich geprägte Netzwerkstrukturen, zu wenig Möglichkeiten für eine Vereinbarkeit von Familie und Arbeit, zu wenig Transparenz.“ (Quelle: Deutschlandfunk Kultur, s. Link unten)
Außerdem mit dabei Prof. Dr. Aladin El-Mafaalani, er ist Professor für Erziehung und Bildung in der Migrationsgesellschaft an der Universität Osnabrück und sieht die Quote kritischer und warnt davor, Quoten als „Allheilmittel“ zu sehen. „Anders sieht es aus, wenn sich einzelne Unternehmen oder Behörden eigene Ziele setzen. Zum Beispiel: Wir haben einen Anteil einer bestimmten Gruppe von zehn Prozent und wollen den in zehn Jahren verdoppelt haben. Ich bin ein Riesenfan von Strategien, und diese sollten auch veröffentlicht werden, damit jeder sieht, welche Ziele man hat. Aber wenn man das staatlich regeln will, hängt ein riesiger Rattenschwanz daran.“ (Quelle: Deutschlandfunk Kultur, Link s.u.)
Meine Key-Take-Aways
Für mich relevante Stichpunkte aus dem Podcast:
- Eine Quote für Frauen einzuführen, ist eigentlich noch am einfachsten (alle weiteren Quoten werden noch komplexer)
- Die Quoten sollten zuerst in Leitungsgremien eingeführt werden
- Über die langwierige Diskussionen von „es sollte bei Stellenbesetzungen um Kompetenzen gehen“ sind wir anscheinend hinweg; es wird mittlerweile (und viele Studien belegen dies) anerkannt, dass zum einen unbewusste Vorurteile (Frauen oft eher schlechter bewertet als Männer, wenn sie das gleiche tun) und zum anderen oft Beziehungen (in männlichen Netzwerken) beim Erhalt von Führungspositionen eine Rolle spielen; (Exkurs meinerseits: Wer mehr zu den unbewussten Vorurteilen lesen möchte, dem*der empfehle ich das Buch „Invisible Women“ von Caroline Criado Perez – gern beim lokalen Buchladen bestellen)
- Ein oft gehörtes Argument ist auch „Frauen bewerben sich einfach nicht auf unsere ausgeschriebenen Führungspositionen“; hier der Hinweis der Expert*innen: Dann muss ein Kulturwandel her – u.a. rund um die Frage „Warum sind so wenige Frauen bei uns in Führungspositionen?“ bzw. „Warum bewerben diese sich nicht?„
- Insbesondere in den MINT-Fächern gibt es das augenscheinliche Argument, weniger Frauen hätten Interesse daran; hier zeigt sich, die Anzahl an Studierenden der MINT-Fächer ist tatsächlich ähnlich 50-50 Frau/Mann verteilt – die meisten Frauen studieren allerdings auf Lehramt und mit besseren Noten (es liegt also nicht am mangelnden Interesse und/oder Kompetenzen in diesen Fachrichtungen)
- Es bringt nichts, nur einzelne „Vorzeigepersonen“ einzustellen; es braucht eine kritische Masse, um Veränderungen zu erwirken; beispielsweise braucht es ca. 30% Frauen in einem Leistungsgremium, um hier spürbare Unterschiede zu bewegen
- Homogene Auswahlgruppen bei Bewerbungsprozessen (z.B. eine Komission bestehend nur aus Männern) sind eher nachteilhaft, weil unbewusste Vorurteile ggf. weniger aufgedeckt / bestärkt werden; insgesamt gilt: Wir müssen an unbewussten Denkstrukturen arbeiten
- Widerstände bei Quoten sind erwartbar, schließlich geht es auch um Konkurrenz bei Arbeitsplätzen (v.a. „in Gefahr“ weißer, hetero Mann); diese Widerstände werden aber noch selten aktiv „angegangen“
- Grundproblem: Wir bewegen uns aus jahrhundertealter Herrschaftsverhältnissen heraus (nicht nur im Beruf auch in unserem Alltag) – diese Veränderung kann nicht nur durch Quote geregelt werden, eher ist die Quote der letzte Hebel; die einzige Lösung, die bleibt: Wir müssen darüber streiten, wo man Grenzen zieht – wie viel Diversität müssen / können / wollen wir uns und anderen zumuten; was ist durchsetzbar?
Ihr merkt, der Fokus liegt doch eher auf Frau/Mann-Diskussion, dennoch – hört rein und teilt eure Take-Aways mit mir! Ich bin gespannt und freue mich über einen Austausch.