„Die Qual der Wahl“ – jeden Tag können/dürfen/müssen wir hunderte Entscheidungen treffen, das fühlt sich nicht immer und nicht für jede/n nach Freiheitsgefühl an. Mit mehr Selbstorganisation, weniger Hierarchie und flexibleren Arbeitszeiten oder -plätzen scheinen uns Entscheidungen manchmal über den Kopf zu wachsen. Fragen lauten dann oft: Wer entscheidet das jetzt eigentlich? Und wann? Und wie überhaupt?
In diesem Blogartikel gehen wir erstmal dem Wie nach, um anschließend einen Blick auf Methoden für das Treffen und die Umsetzung von Entscheidungen zu werfen.
Bauch oder Verstand – wie entscheiden wir?
Du musst eine Entscheidung treffen? – gut und schön, aber wie? Gerade im Arbeitsalltag hören wir oft den Wunsch nach möglichst „rationalen“ Entscheidungen – faktenbasiert soll es sein. Wer aber anfängt sich mit dem Thema Entscheidungen auseinanderzusetzen, stellt schnell fest: Es gibt hier eine Unmenge an psychologischen Tests und Studien, die sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzen, wie viel Verstand und wie viel Bauchgefühl unsere Entscheidungsfindung eigentlich leitet. Hier ein paar interessante Auszüge:
- Anscheinend neigen wir bei Entscheidungen dazu, die vertrautere Alternative zu wählen – auch wenn für diese rational erstmal nichts spricht. Dies liegt wohl an dem Hormon Dopamin – es verschafft uns ein Gefühl der Belohnung, wenn wir etwas wiedererkennen (Quelle: idw – Informationsdienst Wissenschaft). Und vielleicht hat es auch etwas damit zu tun, dass Unbekanntes erst einmal eher ängstigt als lockt?
- Zwei Forscher führten Ende der 90er Jahre einen Test durch. Sie gaben vor, das Gedächtnis der Probanden testen zu wollen. Schließlich sollten diese sich Ziffern merken, mal zwei, mal sieben. Dann führten die Forscher die Probanden beiläufig an einem Buffet vorbei, an dem es Obstsalat und Schokoladentorte gab. Und fanden einen erstaunlichen Zusammenhang: Je mehr Ziffern die Probanden gerade im Gedächtnis zu behalten versuchten, desto eher entschieden sie sich für die Torte. Sprich: Wenn der Verstand abgelenkt ist, hat das Gefühl freies Spiel. (Quelle: Zeit Wissen)
Das Fazit: Wie wir glauben zu entscheiden und was uns wirklich zu einer (unbewussten) Entscheidung bewegt, kann manchmal weiter auseinanderliegen, als wir denken. Oft spielen Gefühle eine unbewusste Rolle.
Was aber nun tun mit dieser Erkenntnis? In Organisationen erleben wir häufig, dass
Mitarbeitende und Führungskräfte in Entscheidungen nur oder vor allem Zahlen, Daten, Fakten (ZDF) einbeziehen, während Gefühle ausgeblendet, negiert oder unterdrückt bleiben. Letztlich ist beides – auch im Arbeitskontext – NICHT empfehlenswert: Nur Bauch oder nur Verstand. Wie immer gilt es, ein ausgewogenes Mittelmaß zu schaffen. Zu langes Grübeln und Fakten wälzen lassen uns Chancen verpassen, ein ständiges Hören auf den Bauch und blitzschnelles Entscheiden lassen uns möglicherweise wichtige Details, Beziehungen oder Konsequenzen übersehen.
Unsere Empfehlung an dieser Stelle: Werde dir selbst darüber klar, welche Fakten und Gefühle deine Entscheidung beeinflussen. Sammele diese (als Liste oder Mindmap) und sei möglichst ehrlich zu dir selbst.
Methoden für das Treffen von Entscheidungen
Nachdem du nun also die Fakten und Gefühle „auf den Tisch gepackt hast“, folgt
Schritt zwei: Das eigentliche Entscheiden.
Hier gibt es eine große Anzahl an Methoden und Instrumenten für Entscheidungen, von denen wir nun ein paar nennen wollen, die sich vor allem für Individualentscheidungen eigenen. Besonders im Kontext von Selbststeuerung in Teams und Organisationen gewinnen diese Methoden aktuell wieder an Bedeutung. Denn: Letztlich geht es immer darum, Entscheidungen möglichst valide zugleich aber auch schnell zu treffen und dabei das Wissen bzw. die Intuition derer zu nutzen, die die Entscheidung treffen bzw. davon betroffen sind.
Der Blick in die Vergangenheit
Eine Methode, die Reflexion erfordert: Schnapp dir ein leeres Blatt Papier. Sammel mindestens drei schwierige Entscheidungen, die du in deinem Leben bereits getroffen hast / treffen musstest. Schreib dir zunächst den Entscheidungsgegenstand auf. Überlege dann: War es eine für dich sinnvolle Entscheidung? Wie bist du zur Entscheidung gekommen? Welche Aspekte waren ausschlaggebend für deine Entscheidung? Wer oder was hat dir bei der Entscheidung geholfen? Lerne aus deinen Erfahrungen – ob nun „Fehlentscheidungen“ oder „beste Entscheidung deines Lebens“: Lass dich von deiner Vergangenheit inspirieren und transferiere dieses Wissen auf deine jetzige Entscheidungssituation.
Der Blick in die Zukunft
Der Blick in die Vergangenheit wirft bei dir eher dunkle Wolken auf? – Versuche es mit dem Blick in die Zukunft. Bei dieser Methode geht es darum, die Folgen einer Entscheidung für die nächsten
… 10 Minuten
… 10 Monate
… 10 Jahre
abzuwägen. Die Entscheidung also kurz-, mittel- und langfristig unter die Lupe zu
nehmen. Eine sehr hilfreiche Methode, um sich selbst zu „überlisten“, denn oft entscheiden wir uns für die kurzfristig beste Lösung und somit für die schnellste Belohnung.
Übrigens: Diese Methode stammt von Suzy Welch, amerikanische Wirtschafts-Journalistin, TV-Moderaterin und Coach (siehe auch: Buch „10-10-10: A Life-Transforming Idea“ von Suzy Welch, Scribner Verlag, 2009).
Gewichtungen bei schwierigen Entscheidungen
Die genannten Methoden waren dir verspielt? Das Entscheiden durch Gewichten hat etwas eher analytisches und kann unter Umständen Zeit in Anspruch nehmen. Bei dieser Methode gehst du jeden Aspekt (Fakten, Gefühle, etc.) einzeln durch und gewichtest diese individuell nach dessen Einfluss auf das zu Entscheidende. Beginne der Einfachheit halber mit einem Aspekt, den du als besonders einflussreich und mit einem, den du nahezu ohne Einfluss bewertest. Diese Aspekte dienen dir dann als Vergleichswert für die anderen Aspekte.
Sobald alle Aspekte gewichtet sind, überlege dir Folgendes: Welchen Einfluss hat deine Entscheidung langfristig auf die höchst-gewichteten Aspekte? Welche negativen, positiven, neutralen Konsequenzen gibt es? Probiere gern auch verschiedene Entscheidungs-Szenarien aus und schaue Sie auf die Auswirkungen… Und dann: Triff eine
Entscheidung.
Ein vereinfachtes Beispiel an dieser Stelle: Fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit? Positive Aspekte für mich könnten z.B. sein Nachhaltigkeit, Geldersparnis; negative Aspekte beispielweise das gefühlte Sicherheitsrisiko (Schlesisches Tor als Unfallstelle Nummer #1), neutral könnte der zeitliche Aspekt sein. Nun könnte ich verschiedene Szenarien durchspielen. Sollte das gefühlte Sicherheitsrisiko so hoch sein, könnte ich z.B. auch alternative Wege suchen, mich trotz Verzicht auf Fahrrad nachhaltiger im Alltag zu bewegen.
Recherchieren oder Rat einholen
Du drehst dich noch immer im Kreis? Dann wird es ggf. Zeit für eine Recherche: Studien, Expert*innen, Paneldiskussionen, ggf. YouTube-Videos. Werde dir klar: Auf welche Frage möchtest du eine Antwort haben. Suche dann gezielt nach Beiträgen. Neben der
Recherche wäre es außerdem möglich, weitere Personen zu befragen. Auch hier der Hinweis: Lieber erst Personen um Rat bitten, wenn schon eine erste Orientierung und Zielsetzung feststeht – sonst gilt „zu viele Köche verderben den Brei“. Meinungen sind dann ggf. nicht mehr hilfreich sondern irreführend und leiten dich von deiner eigentlichen Fragestellung womöglich sogar eher weg.
Und nun? Entscheide dich oder setze dir eine Deadline, bis wann du entschieden haben wisst / musst / darfst.
Eigene Entscheidungen umsetzen
Erstelle nach der Entscheidung kleine Arbeitspakete, die du bereits in den nächsten 72 Stunden (drei Tagen) durch erste kleine Schritte gezielt umsetzen kannst. Immer daran denken: Ein Schritt nach dem anderen, überfordere dich nicht.
Vielleicht rollt nun trotzdem eine lange Liste an To-Dos auf dich zu und du weißt nicht, wo du anfangen sollst? Wir empfehlen zum Priorisieren der To-Dos die Eisenhower Matrix. Aufgaben werden jeweils nach Dringlichkeit und Wichtigkeit in die Matrix sortiert und anschließend wird entweder sofort erledigt, terminiert, delegiert oder zurückgestellt.
Choicing
Eine weitere Variante ist das Choicing – eine Priorisierung durch Auswahl. Dabei ist die Annahme, dass wir nur bei bis zu drei Alternativen eine schnelle Priorisierung vornehmen können. To-Do-Liste werden also in 3er-Gruppen geteilt, dann wird in jeder Gruppe priorisiert und schließlich unter den Gruppen. Auf agilement.de/freechocing gibt es für diese Methode ein digitales Tool und die ausführliche Erklärung findest du im YouTube-Video. Probiere es einfach mal aus!
Allgemeine Impulse für das Treffen von Entscheidungen
Genug Methoden für heute! Zu guter Letzt möchten wir dir noch ein paar allgemeine Impulse für das Treffen von Entscheidungen mit auf den Weg geben:
- Bei den meisten Entscheidungen gibt es schlichtweg kein „richtig“ oder „falsch“. Wir leben in so komplexen Zeiten, dass eine so simplifizierende Kategorisierung wie diese nicht möglich bzw. nicht sinnvoll ist. Vielleicht nimmt das manchmal auch den Druck – es geht schließlich selten um das „große Ganze“.
- Deswegen gewöhnen wir uns lieber auch an Fehlentscheidungen. Diese werden – trotz aller Methoden – vorkommen. Sie gehören zum Leben dazu und sind Lernerfahrungen. Hier kommt eines unserer Lieblingszitate von Marshall B. Rosenberg ins Spiel: Alles, was es wert ist getan zu werden, ist es auch wert, unvollkommen getan zu werden.
- Lass dich auch von komplexen und schwierigen Entscheidungen nicht aus der Ruhe bringen, sondern räume bewusst Zeit für diese ein. Im Allgemeinen gilt übrigen, dass du Entscheidungen nicht unter Stress treffen solltest, denn Stress sorgt für die Ausschüttung von Cortisol und Noradrenalin, welche das Denken blockieren. (Quelle: Zeit Campus)
- Schaff dir Entscheidungsroutinen. Routinen helfen – sie schaffen Gewohnheiten.
- Freue dich über deine Entscheidung – trauere nicht den verpassten Möglichkeiten hinterher. Vielleicht ergibt sich auch mal die Möglichkeit die eigene Entscheidung zu feiern – probiere es aus!
DIeser Blogartikel erschien zuerst auf denkmodell.de.