Am 2. Juli hat Long Qu von The Ikigai Mind im Rahmen des New Work Salons eine kleine Übung zur Methode Ikigai durchgeführt und dabei seine aktuelleste Version eines Ikigai Canvas vorgestellt.
Um 19.00 Uhr ging es los. Immer mehr Leute tummelten sich in den Räumlichkeiten von TheDive – letztlich waren wir etwa 35 – und die Veranstalter*innen überrascht über das zahlreiche erscheinen. Es folgte eine kurze Intro-Runde: Jede*r sollte kurz Namen & den Grund für das Kommen / Verbindung zum Thema Purpose nennen. Die Intro-Runde wurde von Long Qu beendet – mit einem schönen Storytelling (an dieser Stelle bin ich unsicher, wie viel aus diesem vertrauensvollen Raum raus in die Welt gehen sollte), vielleicht aber so viel: Als Chinese und Deutscher zugleich wurde ihm stets eingeflüstert, doch etwas zu machen, was seinen zwei kulturellen Hintergründen gerecht wird.
Irgendwie kam es, dass er entdeckte, dass es im japanischen kein Wort für Rente wohl aber das Wort „Ikigai“ gibt – was frei übersetzt „das, wofür es sich zu leben lohnt“ heißt bzw. „das, wofür du morgens aufstehst“ meint. Jede*r sollte sich auf die Suche nach seinem individuellen Ikigai machen, um glücklich(er) durchs Leben zu spazieren – mit dem ganz eigenen, persönlichen Purpose. Was hat das nun mit der Rente zu tun, fragt ihr euch? In Japan gab es wohl Initiativen insbesondere älteren Mitarbeitenden bei der Suche nach dem eigenen Ikigai zu helfen, da diese oft bei Erreichen des Rentenalters in Depressionen verfielen. [Kurzer Einschub, hier gab es von Long Qu die These: Work-life-balance und work-life-blending haben ausgedient, es sind Begriffe der Vergangenheit. Denn wir verbringen den Großteil unserer Zeit auf Arbeit. Eine Trennung von Arbeitszeit und Lebenszeit ist nicht zeitgemäß / nicht sinnvoll.]
Ikigai ist dabei die Schnittmenge aus vier verschiedenen Aspekten, die in Long Qus Canvas hießen:
- Signifikanz (Prinzipien, Werte, Motivatoren – Was du liebst)
- Mastery (Talente, Erfahrungen, Fachwissen – Worin du gut bist)
- Impact (Was die Welt braucht)
- Interdependenz (=wechselseitige Abhängigkeiten, Finanzen – Wofür du bezahlt wirst)
Diese vier Aspekte setzt er in seinem Canvas unter die Überschrift eines „Frame“ (ein Rahmen) – wie beispielsweise ein Thema bzw. eine Ausgangsfrage für den dieser persönliche Purpose definiert wird. Im Meetup starteten wir mit einer Übung zum Finden unseres eigenen Frames:
- Malt fünf Skalen zu den Überschriften: Gesundheit, Beziehung, Wachstum, Sinn und Finanzen
- Tragt auf den Skalen einen Wert ein, welcher markiert, wie zufrieden ihr derzeit in Bezug auf den Aspekt seid
- Bildet Kleingruppen von 5 Personen
- Jede*r stellt seine*ihre Skalen in der Kleingruppe vor (2 Minuten nur eine*r redet – die anderen hören aufmerksam zu, dann 2 Minuten Verständnisfragen und Teilen von Beobachtungen / Widersprüchen etc. der Zuhörer*innen- Achtung hier keine Lösungsvorschläge)
Kleiner Hinweis: Die zwei Minuten Taktung wurde von fast allen Teilnehmenden irgnoriert.
Durch die Selbstreflexion anhand der Skalen und die Fremdwahrnehmung in den Kleingruppen gab es hier und da schon erste Erkenntnisse. Besonders schönes Erlebnis für mich: Eine Person hatte überall den Mittelwert angegeben und meinte „Es ist eben immer eine Balance. Ich bin nicht top-fit, ich werde langsam alt und spüre das, aber ich gehe z.B. oft und gerne Schwimmen.“ Entspanntheit machte sich bei mir breit, ein „Können – nicht Müssen“-Gefühl und Zuversicht. Auch Long Qu zweifelte daran, dass jemand in allen Bereichen ganz oben stehen kann – geschweige denn, dass das das Ziel dieser Übung sein sollte. Es ging um eine erste Selbstreflexion und darum, den Frame für die weiteren Schritte zum Aufspüren des eigenen Ikigais zu finden. Dazu kam es leider nicht mehr – denn es war bereits 22 Uhr. Er verriet uns aber noch, wie er weitergemacht hätte: Als nächstes hätte er vorgeschlagen, dass sich jede*r über die eigenen Hygienefaktoren Gedanken macht (Hygienefaktoren verhindern die Entstehung von Unzufriedenheit, ihre positive Ausprägung trägt jedoch nicht zur Zufriedenheit bei, z.B. funktionierende IT). Letztlich hätte er den Frame am Ende im Rahmen einer „How might I„-Question formuliert (manchen ggf. geläufig aus dem Design Thinking Kontext). Ein konkretes Beispiel gab es dafür nicht.
Generell sind die Methoden sehr vielfältig, die sowohl für den Ikigai Frame aber auch für das Spüren in die Teilbereiche des Ikigais hilfreich sein können. Ein Kollege schickte mir nach meinen Erzählungen direkt ein Bild: Er hat seine vier Lebensbereiche selbst 2005 ausgelotet – seither stehen vier Vasen (als Symbol für die Bereiche) in unterschiedlich Höhe mit Steinen befüllt auf seiner Terrasse und erinnern ihn an sein Ikigai.
Letzter Tipp an dieser Stelle: Wer es einfach mal Probieren möchte – auch ganz ohne Rahmenfrage, dem*der empfehle ich einen Blick in die zweite Ausgabe der Neuen Narrative, denn in dieser gibt es eine Anleitung für das Finden des eigenen Ikigais (Übung für zwei Personen).
Und noch ein letzter Hinweis: Der Begriff Ikigai tritt bereits im 14. Jahrhundert erstmals auf und fand wohl seit den 1960er weite Verbreitung in Japan. Nicht der „neueste Scheiß“ also – um wertvoll zu sein, muss es aber meiner Meinung nach nicht neu sein. Oder was meint ihr?
Letzte Botschaft an dieser Stelle: Werdet euch auch klar, was ihr nicht wollt! Was ihr loslassen könnt! Viel Spaß bei der Suche nach dem eigenen Purpose. Ich bin noch dabei.