Aufstellung-Selbstorganisation-Fuehrung

Selbstorganisation und Führung ein Widerspruch? – Aufstellungsworkshop

Anfang April war ich bei einem Aufstellungsworkshop zum Thema „Selbstorganisation und Führung – ein Widerspruch?“ bei Frischluft. Zu den Hard Facts: Kostenpunkt 80€, Dauer 4 Stunden, 10 Teilnehmende darunter auch einige „Wiederholungstäter*innen“ (Frischluft bietet immer mal wieder Aufstellungsworkshops zu verschiedensten Themen an).

Ablauf der Aufstellung

Systemische Aufstellungen ((ursprünglich eine Methode aus der Familientherapie, daher auch auf Familienaufstellung genannt) können in verschiedensten Varianten durchgeführt werden. Es gibt meist ein Thema bzw. Anliegen, welches eine Person oder eine Gruppe umtreibt. In unserem Workshop war es das Thema „Selbstorganisation und Führung“. Durch eine Aufstellung sollen Konflikte, Spannungen, unterdrückte Gefühle oder auch Tabus zum Ausdruck kommen. Wir arbeiteten in diesem Workshop nicht mit einer*m Fallgeber*in, sondern mit dem Wissen aller Workshopteilnehmenden und sogenannten Repräsentant*innen.

In einem ersten Schritt suchten wir Elemente, die wir mit diesem Thema in Verbindung brachten – hier kamen Begriffe wie Macht, Hierarchie, Wertschätzung, Gründungsenergie. Ziel war es, einen Überblick über relevante Systemelemente zu gewinnen und diese in der Gruppe zu vergemeinschaften.

Danach wurde eine Person als „Fokus“ gewählt (der Fokus ist Repräsentat für das Thema). Der Fokus durfte danach Personen als Repräsentant*innen für eine Führungskraft, ein*e Mitarbeiter*in und die Organisation wählen. Achtsam positionierte der Fokus schließlich die gewählten Repräsentant*innen im System und suchte zuletzt für sich selbst eine geeignete Position.

Danach begann der Aufstellungsleiter Fragen an die jeweiligen Repäsentant*innen zu stellen: Wie fühlst du dich? Was bräuchtest du? Warum?…

In dieser Aufstellung durften die restlichen Teilnehmenden des Workshops (die aktuell Beobachter*innen waren) in die Aufstellung reingehen, sobald sie einen Impuls verspürten und das Gefühl hatten, im System fehle etwas oder das System brauche etwas. Hinzu kamen:

  1. Vertrauen
  2. Gerechtigkeit/ Ärgernis
  3. Umfeld – (später Selbstorganisation)
  4. Hierarchie
  5. Werte / Kultur / Sinn (verließ System nach wenigen Minuten wieder)

Schließlich gab es ein vorläufiges Lösungsbild. In diesem Fall hatte die Mitarbeiterin darum gebeten, dass Organisation, Hierarchie und Selbstorganisation ein Dreiklang bilden und Innen- wie außen der Organisation im Blick behalten. Außerdem war die Mitarbeiterin in direktem Blickkontakt mit der Führungskraft, Vertrauen und Gerechtigkeit an ihrer Seite.

Nach dem Lösungsbild hieß es kurz: Frische Luft schnappen, Rollen etwas abschütteln. Denn obwohl wir nur Repräsentant*innen waren, wurde es emotional und bewegend. Uns fehlte wirklich manchmal der Blick für andere aus der eigenen Rolle heraus.

Reflexion

Zum Abschluss gab es noch eine Reflexionsrunde. Die Fragen für die Reflexion lauteten:

  • Was waren Schlüsselmomente in deiner Rolle?
  • Was war dein Anteil an der Veränderung?
  • Wenn du den Aufstellungsprozess vom Anfang bis zum Lösungsbild Revue passieren lässt, was waren deine Aha-Momente?

Ehrlicherweise habe ich viele Aha-Momente auf der individuellen und persönlichen Ebene gehabt, erstmal aber ein paar Reflexionen allgemeinerer Natur:

  • Die Aufmerksamkeit lag während der Aufstellung eher auf der Organisation und auf den Konzepten (Hierarchie und Selbstorganisation)  sodass die Mitarbeiterin ungehört blieb und verärgert war. In der Abschlussrunde sagte Jemand „es brauchte viel bis die Mitarbeiterin sprach“, außerdem wurde die Fragen „Wer dient eigentlich wem? Die Mitarbeitenden der Organisation oder die Organisation den Mitarbeitenden?“ und „Wie viel Aufmerksamkeit braucht wer und kann wer einfordern? Wie kann eine Beziehung zwischen Mitarbeiterin und Organisation entstehen?“ in den Raum geworfen. Die meisten Vorschläge und Ideen kamen letztlich von der Mitarbeiterin.
  • Die Aufstellung allein mit diesen wenigen Elementen war für manche Teilnehmende des Workshops schon sehr chaotisch – hier wird die Komplexität der Veränderungsprozesse in Organisationen deutlich.
  • Hierarchie war etwas, das sehr verschieden interpretiert wurde (oft sehr negativ).
  • Der Sinn kam für die Repräsentant*innen der Aufstellung zu früh ins System. Der Sinn überforderte. Die Frage „Kann Sinn in Beziehungen liegen bzw. das Produkt von Beziehungen innerhalb einer Organisation sein?“ kam auf.
  • Die Führungskraft in der Aufstellung hoffte auf das Hinzukommen des Elements der Selbstverantwortung. Sie fühlte sich außerdem von der Hierarchie bedroht.
  • Freiraum war notwendig damit Führungskraft und Mitarbeiterin interagieren konnten. Weder die Führungskraft noch die Mitarbeiterin zweifelten an der Beziehung zueinander, es waren die anderen Systemelemente, die die Beziehung immer wieder in Frage stellten.
  • Die Führungkraft war das Element mit der höchsten Stabilität im System.
  • Das Umfeld änderte sich zur Selbstorganisation im Laufe der Aufstellung – ggf. ein realistisches Abbild für viele Organisationen, die den Sprung in mehr Selbstorganisation durch den Druck von außen wagen (müssen).
  • Es brauchte nur das Vertrauen zwischen Führungskraft und Mitarbeiterin, die anderen Elemente waren eigentlich nicht (so) wichtig.

Und nun ein paar weitere Gedanken eher persönlicher Natur:

  • Für mich selbst stellte sich nach dem Workshop die Frage, warum wir eine Person als Repräsentant*in für eine Führungskraft aufgestellt haben. Ich wäre gespannt, was sich wie ändern würde, wenn wir die gleiche Aufstellung nochmal mit einer*m Repräsentant*in für das Konzept „Führung“ (statt einer Person „Führungskraft“) durchführen würden.
  • Ich selbst habe eigene Muster und „Trigger“-Punkte erkannt. Ich war die Gerechtigkeit, die ziemlich verärgert in die Aufstellung hineinlief, da die Mitarbeiterin nicht gehört wurde – den Ärger der Mitarbeiterin habe ich gespürt und auch meine eigene Ungeduld, weil diese sich nicht äußerte. Es zeigte wieder: Es braucht Zeit, selbst in einer Aufstellung, selbst wenn die Moderation alle gleichermaßen fragt, bis sich einzelne mit ihren Bedürfnissen äußern können, aber Geduld lohnt sich.
  • Mich bewegte am Abend und Tage nach dem Workshop noch die Frage, wie viel Zurückhaltung und Stabilität braucht es seitens einer Führungskraft bzw. seitens einer Person die Führung übernimmt. In meiner Wahrnehmung sind diese oft eher Anpacker*innen bzw. Macher*innen – in der Aufstellung übernahm die Mitarbeiterin das Ruder, weil die Führungskraft Stabilität bot und eher dienend (wenig aktiv, eher beobachtend, Überblick bewahrend, Sicherheit vermittelnd) war. Wie unterschiedlich können / sollen Führungsstile in der Selbstorganisation sein? Was ist hilfreich und wofür bzw. für wen?

In dieser wurde mit Repräsentant*innen gearbeitet – das ist nicht immer so. Was habt ihr für Erfahrungen mit Aufstellungen gemacht? Schreibt mir gern, ich freue mich auf Feedback und Kommentare.

Literaturhinweis

p.s.: Mehr zum Thema gönnt ihr auch hier lesen: Basics der Systemischen Strukturaufstellungen: Eine Anleitung für Einsteiger und Fortgeschrittene – mit Beiträgen von Insa Sparrer und Matthias Varga von Kibéd Gebundenes Buch – 22. September 2008.

2 Kommentare zu „Selbstorganisation und Führung ein Widerspruch? – Aufstellungsworkshop“

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